Lehrer-Bildung

Im Handlungsfeld "Lehrer-Bildung" waren im vergangenen Jahrzehnt nur langsame Fortschritte zu beobachten. Während die Erfolgsquoten im Lehramtsstudium stark verbessert werden konnten, sind andere Indikatoren wie zu jene MINT-Lehramtsstudierenden sogar unter das Niveau von 2010 gefallen. Zum Abschluss kommt der Index im Handlungsfeld Lehrer-Bildung daher nur auf 37 von 100 Punkten.

 
Lehrkräfte an Schulen
sind maßgeblich dafür verantwortlich, Bildungspotenziale bei Kindern und Jugendlichen zu wecken und zu fördern. Damit dies möglichst optimal gelingt, bedarf es einer qualitativ guten Lehramtsausbildung an den Hochschulen sowie einer ausreichenden Anzahl an Lehrkräften in allen Fächern. Zudem ist es wünschenswert, dass sich die Diversität der Gesellschaft und der Schülerschaft insbesondere hinsichtlich des Geschlechts und Migrationserfahrungen in der Lehrerschaft widerspiegelt. Dies kann die Sensibilisierung für spezifische Problemlagen von Schülerinnen und Schüler innerhalb der Lehrerkollegien fördern.

Im Handlungsfeld "Lehrer-Bildung" untersucht der Hochschul-Bildungs-Report anhand von acht Indikatoren, inwieweit der Bedarf an neuen Lehrkräften durch die Hochschulen gedeckt wird und ob die Diversität der Lehramtsstudierenden zunimmt. Bildungsinländer sollen vier Prozent der angehenden Lehrerinnen und Lehrer stellen. Dies würde dem Anteil der ausländischen Schulabsolventen mit (Fach-)Hochschulreife entsprechen. Um einem Mangel an MINT-Lehrkräften entgegenzuwirken, sollte sich der Anteil der Studienanfängerinnen und -anfänger im Lehramt in diesen Fächern auf 36 Prozent erhöhen. Bis 2020 gilt es, den Anteil männlicher Grundschullehramtsstudierender auf 22 Prozent zu steigern. Den Maßstab für diese beiden Indikatoren bildete ihr Anteil in den drei besten Bundesländern im Jahr 2010. Eine bessere Vorbereitung auf den späteren Lehrerberuf durch das Studium – besonders auch mit Blick auf die Vermittlung von Digitalfähigkeiten für Lehrerinnen und Lehrer – ist eine wichtige Forderung des Hochschul-Bildungs-Reports. Leider wurde der Indikator zur Beschäftigungsfähigkeit der Lehramtsstudierenden nicht kontinuierlich erhoben.

 

Der Gesamtindex im Handlungsfeld "Lehrer-Bildung" lag im Jahr 2020 bei 37 von 100 Punkten – an vorletzter Stelle im Vergleich der sechs untersuchten Handlungsfelder. Während einige Ziele wie die Steigerung der Erfolgsquote im Lehramtsstudium auf mehr als 80 Prozent bereits vor Jahren erreicht waren, verblieben die Werte anderer Einzelindikatoren selbst hinter den Ausgangswerten von 2010 zurück.

Hinsichtlich der Diversität der Lehramtsstudierenden sind nahezu keine Fortschritte zu verzeichnen. Noch immer sind nur 16,8 Prozent der Grundschullehramtsstudierenden Männer, nur 2,7 Prozent der Lehramtsstudierenden Bildungsinländer und noch immer stagniert der Frauenanteil unter den Lehramtsstudierenden Informatik bei 30,6 Prozent. Zumindest konnte das Absinken des Anteils der Männer unter den Grundschullehramtsstudierenden in den Jahren 2010 bis 2014 gestoppt und wieder leicht umgekehrt werden. Es gilt aber dennoch: Von den Zielwerten sind alle Indikatoren zur Diversität unter Lehramtsstudierenden weit entfernt. Unterschiedliche Initiativen und Projekte wie etwa "Männer in die Grundschule" der Universität Bremen oder "Become a teacher" des Landes Berlin versuchen die Diversität zwar zu steigern, die großen, hinter der fehlenden Diversität stehenden strukturellen Defizite in der Gesellschaft (mangelnde Anerkennung, Gehaltsunterschiede, kulturelle Hemmnisse), konnten offensichtlich jedoch nicht aufgebrochen werden.

Hinsichtlich der Deckung des Lehrkräftebedarfs sind die im Handlungsfeld untersuchten Indikatoren in ihrer Entwicklung ebenfalls bedenklich. Es gelingt nicht, mehr Menschen für den Lehrberuf an Berufsschulen zu gewinnen. Der zwischenzeitliche Höchstwert von acht Prozent der Studienanfängerinnen und -anfänger im Lehramt im Jahr 2015, die sich für den Lehrberuf an beruflichen Schulen beziehungsweise berufliche Fächer im Sekundarbereich II qualifizieren wollen, ist mittlerweile wieder auf 6,1 Prozent gesunken; das Ziel für 2020 lag hier bei 13 Prozent und errechnet sich aus dem von der Bertelsmann Stiftung angegebenen Bedarf. Auch hinsichtlich des MINT-Bereichs zeigen sich kaum Änderungen in der vergangenen Dekade. So liegt der Anteil der Lehramtsstudierenden im Bereich MINT unter allen Lehramtsstudierenden derzeit bei 25,9 Prozent. Im Jahr 2010 waren es 29 Prozent. Einen möglichen Grund für die unseres Erachtens zu geringe Anzahl an MINT-Lehramtsstudierenden zeigt der Abiturienten-Survey auf: Schulabsolventinnen und -absolventen, die als eine ihrer besonderen Stärken den Umgang mit neuen Technologien angeben, finden für die Berufswahl neben Spaß an der Arbeit vor allem Einkommen, Arbeitsmarktchancen, Aufstiegsmöglichkeiten und ein hohes Gehalt wichtig. Diese Möglichkeiten verbinden sie jedoch nur bedingt mit dem Lehrerberuf.

 

2010 bis 2020: Was wurde erreicht?

Die Empfehlungen des Hochschul-Bildungs-Reports im Handlungsfeld "Lehrer-Bildung" wurden erst teilweise umgesetzt. Die schon im Jahr 2013 empfohlene Steigerung der Attraktivität des Grundschullehramts durch eine Anpassung an ein Gymnasiallehrergehalt wurde Stand 2020 in sechs Bundesländern realisiert; in drei weiteren ist sie in Planung. Bei der im Jahr 2014 formulierten Empfehlung, Lehrerinnen und Lehrer zur systematischen Personalentwicklung fortzubilden, gibt es punktuell positive Entwicklungen. Zum Beispiel bietet die Uni Gießen inzwischen ein weitreichendes Weiterbildungsangebot für Lehrende an. Das Bundesland Thüringen bietet seit 2016 ein Unterstützungssystem, indem Fortbildungsbedarfe für Lehrende gesammelt und über das Landesministerium Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt werden. Allerdings sind diese Fortbildungsmöglichkeiten nicht bundesweit ausgebaut und werden zum Teil als suboptimal und unbefriedigend beschrieben, wie zum Beispiel 2019 im Bericht einer Expertengruppe 2019 für das Bundesland Nordrhein-Westfalen.

Seit dem Jahr 2013 hat der Hochschul-Bildungs-Report immer wieder mehr Aufstiegsmöglichkeiten für Lehrerinnen und Lehrer und die Ausdifferenzierung des Stellentableaus an Schulen empfohlen. Doch hier hat sich an der Ausgangssituation 2010 bis heute so gut wie nichts verändert. Während an Gymnasien noch etwas Spielraum zur Beförderung auf zumindest eine weitere Gehaltsstufe besteht, ist die für Schulen der Sekundarstufe I kaum gegeben. Dabei zeigen Länder wie Singapur, dass die Einführung eines "teaching tracks" mit an Fortbildung geknüpften Beförderungen Teil des Rezepts für die PISA-Erfolge dieser Länder sind.

 

Wo hat sich der Stifterverband engagiert?

Mit der Lehrer-Initiative im Jahr 2013 setzten sich der Stifterverband und die Heinz Nixdorf Stiftung das Ziel, das Thema Lehrerbildung stärker im hochschulpolitischen Diskurs zu verankern; unter den mit insgesamt 500.000 Euro prämierten Hochschulen rückte damit die Lehrerbildung erstmals als Motor der Hochschulentwicklung in den Fokus. Seit dem Jahr 2012 betreibt der Stifterverband gemeinsam mit den Kooperationspartnern Bertelsmann Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Deutsche Telekom Stiftung und dem CHE – Centrum für Hochschulentwicklung zudem gemeinsam den Monitor Lehrerbildung; die bis heute einzige Onlinedatenbank, die einen deutschlandweiten Überblick über die länderspezifischen Strukturen des Lehramtsstudiums ermöglicht. Zusätzlich werden in diesem Rahmen in regelmäßigen Abständen Schwerpunktthemen innerhalb der Lehrerbildung untersucht und Handlungsempfehlungen ausgesprochen.

Was bleibt zu tun?

Bildung ist und bleibt die wichtigste Ressource Deutschlands. Das Lehrpersonal nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein. Daher sollte es die Aufgabe der kommenden Jahre sein, den Lehrerberuf attraktiver zu machen, um gute Schülerinnen und Schüler für ein Studium zu gewinnen. Denn mit den zunehmend komplexen, globalen und digitalen Herausforderungen der Zukunft steigen auch die Anforderungen an Lehrerinnen und Lehrer.

Empfehlungen:

  • Arbeitsbedingungen beispielsweise durch Gehaltsanpassungen im Grundschullehramt für Lehrpersonal zur Steigerung des Attraktivitätsgrads des Berufs signifikant verbessern.
  • Aus- und Weiterbildung in digitalen Lehr- und Lernmethoden für Lehrkräfte ausbauen.
  • Die Durchlässigkeit zwischen Privatwirtschaft und Schulen vergrößern, um mehr Referenten aus der Wirtschaft gewinnen zu können. Beispielsweise durch flexiblere Arbeitszeitmodelle (Teilzeitstellen) und größere Bereitschaft für Modellprojekte (Beispiel Sabbatjahr) auf Unternehmens- und Schulseite.
  • Quereinstiegsmöglichkeiten in die Schule zur Erleichterung des Karrierewechsels für Fachpersonal entbürokratisieren.

Der Hochschul-Bildungs-Report 2020 ist eine Initiative von