Das Handlungsfeld "Beruflich-akademische Bildung" verbessert sich langsam, aber kontinuierlich; beispielsweise geht der Ausbau dualer Studiengänge in manchen Bundesländern stark voran. Die zum Abschluss erreichten 46 von 100 Punkten machen allerdings deutlich, dass die Bemühungen in diesem Handlungsfeld noch weiter verstärkt werden müssen.
Von einer stärkeren Verknüpfung von beruflicher und akademischer Bildung können Wissenschaft, Wirtschaft und die einzelnen Studierenden profitieren:
In dem Handlungsfeld "Beruflich-akademische Bildung" wird erhoben, inwieweit sich die Hochschulen für beruflich Gebildete und Dualstudierende öffnen und wie praxisorientiert die akademische Bildung ist. Zielsetzung zum Jahr 2020 war es, die Zahl der Studienanfängerinnen und Studienanfänger ohne Abitur im Vergleich zu 2010 auf 21.800 zu verdreifachen (entspricht einer Extrapolation vorheriger Entwicklungen) und die Zahl der Studienanfängerinnen und Studienanfänger in dualen Studiengängen auf 8 Prozent zu verdoppeln (entspricht dem Durchschnitt der Top-3-Bundesländer im Jahr 2010). Des Weiteren sollte sich die Zufriedenheit der Studierenden hinsichtlich des Praxisbezugs ihres Studiums über alle Hochschultypen dem im Jahr 2010 besten Hochschultyp anpassen.
Der Gesamtindex im Handlungsfeld "Beruflich-akademische Bildung" erreicht in der vorliegenden Schlussbetrachtung einen Wert von 46 der 100 möglichen Punkte. Die einzelnen Indikatoren und Unterbereiche innerhalb des Handlungsfeldes haben sich dabei ganz unterschiedlich entwickelt. Während bei den Indikatoren zum dualen Studium und zum Studieren ohne Abitur teilweise große Erfolge erzielt wurden, sind hinsichtlich der Praxisorientierung der akademischen Bildung sowie der Beschäftigungsfähigkeit von Studierenden zum Teil sogar Rückschritte im Vergleich zum Jahr 2010 festzustellen. Die Datenlage ist dahingehend eingeschränkt, dass zur Praxisorientierung der akademischen Bildung sowie zur Beschäftigungsfähigkeit von Studierenden die neuesten Datenpunkte aus dem Jahr 2018 stammen.
Die Anzahl der Studienanfängerinnen und Studienanfänger in einem dualen Studium unter allen Erstsemestern hat sich von 15.740 im Jahr 2010 auf 29.923 im Jahr 2020 fast verdoppelt (Ziel: 34.400). Bei diesem Indikator stechen die Entwicklungen der Länder Hamburg und Thüringen heraus: In Hamburg stieg die Anzahl von 39 auf 1.091, in Thüringen von 105 auf 2.500. In beiden Ländern wurde der Ausbau des dualen Studiums stark gefördert. Studienanfängerinnen und Studienanfänger aus dualen Studiengängen machen nun etwa 6,1 Prozent aller Erstsemester aus, verglichen mit dem Jahr 2010 eine Steigerung von 2,6 Prozentpunkten. Männer beginnen häufiger als Frauen ein duales Studium (6,7 versus 5,6 Prozent). Im Saarland ist mehr als jede dritte Studienanfängerin beziehungsweise Studienanfänger in einem dualen Studium, in Baden-Württemberg mehr als jede beziehungsweise jeder sechste, in Thüringen knapp jede beziehungsweise jeder zehnte. Insgesamt beträgt der Anteil an dualen Studiengängen unter allen Studiengängen etwa 7,9 Prozent. Im Jahr 2010 waren es noch 5,3 Prozent.
Auch die Zahlen zu den Studierenden ohne Abitur haben sich in der vergangenen Dekade zwar positiv entwickelt, doch die Ziele der Bildungsinitiative wurden zumeist verfehlt. Knapp 14.000 Erstsemester ohne Abitur waren im Jahr 2020 immatrikuliert, das sind 2,9 Prozent aller Studienanfängerinnen und -anfänger; Zielvorgabe waren 21.750 Erstsemester und 5,0 Prozent Anteil. Entgegen vielen Befürchtungen zu Beginn der Öffnung der Hochschulen für Personen ohne Abitur, lässt sich übrigens konstatieren: Die Studierenden ohne Abitur sind erfolgreich, die Abbruchraten sind niedrig. Der Indikator zum Anteil der Studienabsolventen ohne Abitur an allen Absolventen erreichte im Jahr 2020 mit 2 Prozent den angestrebten Zielwert.
Im Bereich Praxisbezug im Studium und Beschäftigungsfähigkeit liegen die Werte zumeist nur bis zum Jahr 2018 vor, aber bis dahin lassen sich nur sehr verhaltene Fortschritte beobachten. Bei der Beurteilung des Praxisbezugs von Lehrveranstaltungen, von speziellen Lehrveranstaltungen zur Vermittlung von Praxiswissen und der Berufs-/Praxisbezogenheit des Studiums insgesamt zeigen sich Werte, die von der Zielsetzung her bereits im Jahr 2013 hätten erreicht werden müssen. Gleiches gilt für die Einschätzung der Möglichkeit, praktische Erfahrungen im Studium zu erwerben. Bei dem Anteil der Studiengänge mit Pflichtpraktikum sowie bei der von Unternehmen wahrgenommenen Beschäftigungsfähigkeit von Studienabsolventen und -absolventinnen sind sogar deutliche Rückschritte zu erkennen.
In Bezug auf duale Studiengänge konnten manche der Handlungsempfehlungen, die der Hochschul-Bildungs-Report ausgesprochen hat, in den vergangenen zehn Jahren umgesetzt werden; andere bleiben auch heute noch aktuell. Beispielsweise wurde, wie im Jahr 2013 empfohlen, die Anzahl dualer Studiengänge in unterakademisierten Berufszweigen (Sozialwesen, Gesundheit und Therapiewesen und Erziehungswissenschaften) mit 41 Studiengängen im Jahr 2013 auf 173 im Jahr 2019 deutlich ausgeweitet. Auch konnten, wie im Jahr 2015 empfohlen, mehr duale Studiengänge in Kooperation mit lokalen Unternehmen in strukturschwächeren Regionen wie beispielsweise den neuen Bundesländern etabliert werden. Obwohl die Anzahl der dualen Studiengänge seit diesen Empfehlungen gestiegen ist, hat sie inzwischen ein Plateau erreicht und stagniert. Duale Studiengänge wurden zudem nie – wie im Jahr 2014 empfohlen – flächendeckend in allen Bundesländern eingeführt.
Im Jahr 2013 rief der Stifterverband das Qualitätsnetzwerk Duales Studium ins Leben, um mit zehn Fachhochschulen, Universitäten und Berufsakademien in einem zweijährigen Prozess unter Moderation des CHE gemeinsam Empfehlungen für die Qualitätsentwicklung und Perspektiven des dualen Studiums zu erarbeiten. In den Jahren 2013 bis 2015 förderte der Stifterverband mit 250.000 Euro vier regionale Bildungscluster aus Hochschulen und Unternehmen, um sowohl die Verzahnung zwischen ihnen als auch die Sichtbarkeit und Attraktivität der Region für den akademischen Nachwuchs zu erhöhen. Das Förderprogramm Campus und Gemeinwesen unterstützte in den Jahren 2015 bis 2016 sechs Hochschulen dabei, Foren für einen Austausch mit der Zivilgesellschaft anzubieten, um zu erarbeiten, wie der Transfer zwischen Hochschulen und Gesellschaft zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen verbessert werden kann.
Trotz des Ausbaus hybrider Angebote zwischen beruflicher und akademischer Hochschulbildung gibt es immer noch keine entsprechende, integrierte Reformstrategie der Politik. Die institutionelle Trennung der Zuständigkeiten auf Landesebene und die getrennten Abteilungen für Hochschul- und Berufsbildungspolitik im BMBF stehen einer abgestimmten politischen Gestaltung des Überschneidungsbereichs von beruflicher und akademischer Bildung entgegen.
Empfehlungen: