Welche Fähigkeiten werden in Zukunft benötigt?

Hochschul-Bildungs-Report 2020
​Jahresbericht 2019

  • Unsere Arbeitswelt und Berufsbilder sind im Umbruch, entsprechend verändert sich auch, welche Fähigkeiten zukünftig auf dem Arbeitsmarkt benötigt werden und gefragt sind.
  • Das Framework Future Skills identifiziert 18 Fähigkeiten in drei Kategorien, die in Zukunft an Bedeutung gewinnen.
  • In den kommenden fünf Jahren werden in Deutschland rund 700.000 Mitarbeiter mehr benötigt, die über technologische Fähigkeiten verfügen.
  • Mehr als 2,4 Millionen Erwerbstätige müssen in Schlüsselqualifikationen wie agilem Arbeiten oder digitalem Lernen befähigt werden.

Unsere Arbeitswelt wird künftig immer mehr von digitalen Informationen und Abläufen geprägt. Herkömmliche Berufsbilder wandeln sich, neue Anforderungsprofile entstehen. Der Umgang mit digitalen Technologien und internetbasierten Anwendungen wird in fast allen Branchen und Berufen wichtiger werden. Auch außerhalb der Arbeitswelt beeinflussen neue Formen der Interaktion und Wissensproduktion den Alltag und verändern nahezu alle Lebensbereiche. Angesichts dieser voranschreitenden gesellschaftlichen Transformation wird der kompetente Umgang mit digitalen Technologien sowie Kollaborationstechniken zur zentralen Voraussetzung nicht nur für wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch für die gesellschaftliche Teilhabe. Doch welche Fähigkeiten werden in den Arbeits- und Lebenswelten künftig konkret benötigt? Wie groß ist der Bedarf der deutschen Unternehmen an diesen Zukunftskompetenzen oder auch Future Skills?

Für Future Skills existieren bereits eine Reihe von Kompetenzkategorisierungen, zum Beispiel von OECD, World Economic Forum, McKinsey Global Institute oder der Ashoka Foundation. Bislang fehlt es allerdings an einem konkreten Überblick über die aktuellen Kompetenzbedarfe der Unternehmen in Deutschland. Stifterverband und McKinsey haben deshalb gemeinsam mit Unternehmen die aktuellen Herausforderungen beim Thema Future Skills analysiert und daraus ein Framework der derzeit relevanten Fähigkeiten, Kompetenzen und Eigenschaften erarbeitet. Methodisch basiert die Analyse auf einem Mix von quantitativen und qualitativen Befragungen. Der Future-Skills-Rahmen soll keine starre allgemeingültige Kategorisierung sein und die oben genannten Frameworks ersetzen. Er zielt vielmehr darauf ab, gegenwärtige Trends und Bedarfe der deutschen Wirtschaft abzubilden, Kompetenzlücken zu antizipieren und dadurch kurz- bis mittelfristige Impulse für Bildungspolitik und (Weiter-)Bildungsanbieter zu geben. Das Framework wird in regelmäßigen Abständen aktualisiert und neuen Umweltbedingungen angepasst. Es begleitet die Initiative Future Skills des Stifterverbandes, die sich mit verschiedenen Programmen für eine bessere Vermittlung entsprechender Kompetenzen stark macht.

 

Das Future-Skills-Framework: 18 Fähigkeiten in drei Kategorien

Was sind Future Skills? Future Skills werden in dieser Studie definiert als Kompetenzen, Fähigkeiten und Eigenschaften, die in den nächsten fünf Jahren für das Berufsleben und/oder die gesellschaftliche Teilhabe deutlich wichtiger werden – und zwar über alle Branchen und Industriezweige hinweg. Das heißt: Als Future Skills wird eine wichtige Teilmenge aller in Zukunft erforderlichen Kompetenzen bezeichnet – zum einen zeitlich eingegrenzt auf die kommenden fünf Jahre, zum anderen inhaltlich fokussiert auf das Merkmal der branchenübergreifend wachsenden Bedeutung.

In dieser Definition sind sämtliche Fähigkeiten ausgeklammert, die entweder zu branchen- oder fachspezifisch sind oder deren Bedeutung relativ zu anderen Fähigkeiten abnehmen wird. Der Zeithorizont von fünf Jahren (Befragung 2018, Prognosejahr 2023) wurde gewählt, da er lang genug ist, um die Effekte bereits heute absehbarer Entwicklungen realistisch einzubeziehen. Gleichzeitig ist diese Spanne noch kurz genug, um trotz der rasanten technologischen Entwicklung belastbare Aussagen zu diesen Kompetenzen treffen zu können.

Die zweifache Future-Skills-Herausforderung

Bereits in diesem überschaubaren Zeithorizont werden Digitalisierung und neue Arbeitsformen die Unternehmen vor zwei Herausforderungen stellen, und zwar in der Spitze wie in der Breite. Das Stellenportfolio verschiebt sich zum einen weiter in Richtung IT-Stellen, deren Besetzung insbesondere in den Bereichen der transformativen Technologien, beispielsweise Blockchain oder künstliche Intelligenz, ein zunehmendes Problem ist. Zum anderen verändern sich gleichzeitig für einen Großteil aller Mitarbeiter die Arbeitsformen und die Tätigkeitsanforderungen. Viele Mitarbeiter benötigen deshalb ein verändertes Set an digitalen und nichtdigitalen Schlüsselqualifikationen.

Auf Basis der Aussagen von Personalverantwortlichen und unter Einbezug bestehender Skills-Frameworks haben Stifterverband und McKinsey ein Future-Skills-Framework entwickelt, das zwischen drei Arten von Fähigkeiten unterscheidet:

  • Technological Skills sind Fähigkeiten, die für die Gestaltung von transformativen Technologien notwendig sind. Dazu zählen Fähigkeiten für bereits etablierte transformative Technologien wie das Internet (zum Beispiel Webentwicklung oder nutzerzentriertes Design) sowie Fähigkeiten für neu entstehende Arbeitsfelder (zum Beispiel Blockchain- oder Smart-Hardware-Entwicklung). Ein besonders großer Bereich ist die Fähigkeit zur Analyse komplexer Daten, die auch die Entwicklung von künstlicher Intelligenz umfasst. Wer Technological Skills beherrscht, verfügt über neuestes (informations-) technologisches Fachwissen und kann es praktisch anwenden. Diese Fähigkeiten werden über alle Wirtschaftsbereiche hinweg neue Berufsprofile schaffen, etwa den Data Scientist, der Datenquellen verknüpft, entschlüsselt und auswertet. Insbesondere in Start-ups werden schon heute viele Berufsprofile durch Technological Skills geprägt.
     
  • Digital Citizenship Skills als zweite Kategorie beinhalten Kompetenzen, durch die Menschen in der Lage sind, sich in einer digitalisierten Umwelt zurechtzufinden und aktiv an ihr teilzunehmen.Diese Fähigkeiten werden im Berufsleben sowie für die gesellschaftliche Teilhabe in Zukunft benötigt und von Arbeitgebern bei ihren Mitarbeitern zunehmend vorausgesetzt. Dazu zählen die digitale Wissenserschließung (digital gestütztes Lernen) und der informierte Umgang mit Daten im Netz (Digital Literacy) ebenso wie die Fähigkeit zum kollaborativen Arbeiten. Wer diese Fähigkeiten beherrscht, kann in einer immer stärker digital geprägten Welt kooperativ und agil arbeiten, wirkungsvoll interagieren und kritische Entscheidungen treffen. Während nur einzelne Personen spezifische Technological Skills benötigen, sollten Digital Citizenship Skills möglichst von allen Menschen beherrscht werden.
     
  • Classical Skills bilden die dritte Kategorie. Hier werden Kompetenzen und Eigenschaften erfasst, deren Bedeutung aus Sicht der Unternehmen in den kommenden Jahren im Arbeitsleben zunehmen wird, zum Beispiel Adaptionsfähigkeit, Kreativität und Durchhaltevermögen. Wer diese Fähigkeiten mitbringt, kann sich in neuen Situationen leichter zurechtfinden sowie Probleme in einer zunehmend unbeständigen und komplexen (Arbeits-)Welt besser analysieren und lösen.
     

Für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen ist die Verknüpfung von Technological Skills, Digital Citizenship Skills und Classical Skills von entscheidender Bedeutung. Es genügt nicht, lediglich Mitarbeiter zu beschäftigen, die nur einzelne, spezifische Fähigkeiten mitbringen. Die Herausforderung besteht darin, Personen auszuwählen oder so zu qualifizieren, dass sie ein möglichst umfangreiches Bündel aller der für ihren Arbeitskontext relevanten Future Skills besitzen.

 

Die Future Skills

Technological Skills

Komplexe Datenanalyse Große Datenmengen effizient mit analytischen Methoden untersuchen, um Informationen zu gewinnen; dies umfasst auch das Entwickeln von künstlicher Intelligenz (KI)
Smart-Hardware-/ Robotikentwicklung Physische Komponenten für intelligente Hardware-Software-Systeme (Internet of Things) wie Roboter entwickeln
Webentwicklung Physische Komponenten für intelligente Hardware-Software-Systeme (Internet of Things) wie Roboter entwickeln
Nutzerzentriertes Designen (UX) Produkte so entwerfen, dass sie auf eine optimierte Funktionalität bei intuitiver Anwendbarkeit und somit attraktive Nutzererfahrung abzielen
Konzeption und Administration vernetzter IT-Systeme Komplexe IT-Infrastruktur, auch in der Cloud, mit Schnittstellen zu weiteren IT-Systemen aufsetzen sowie kontinuierlich verwalten und weiterentwickeln
Blockchain-Technologie-Entwicklung Dezentrale Datenbanken (Distributed Ledgers) mithilfe der Blockchain-Technologie aufbauen
Tech Translation Zwischen Technologie-Experten und involvierten Nichtfachleuten moderieren

Digital Citizenship Skills

Digital Literacy Grundlegende digitale Skills beherrschen, zum Beispiel sorgsamer Umgang mit digitalen persönlichen Daten, Nutzen gängiger Software, Interagieren mit künstlicher Intelligenz
Digitale Interaktion Bei Interaktion über Onlinekanäle andere verstehen und sich ihnen gegenüber angemessen verhalten (digitaler Knigge)
Kollaboration Unabhängig von räumlicher Nähe und über verschiedene Disziplinen und Kulturen hinweg effektiv und effizient in Projekten zusammenarbeiten, um als Team bessere Resultate als Einzelpersonen zu erzielen
Agiles Arbeiten In einem für ein Endprodukt verantwortlichen Team iterativ (Rapid Prototyping) genau das erarbeiten, was dem Kunden Mehrwert stiftet
Digital Learning Aus einer Vielzahl digitaler Informationen valides Wissen zu ausgewählten Themengebieten aufbauen
Digital Ethics Digitale Informationen sowie Auswirkungen des eigenen digitalen Handelns kritisch hinterfragen und entsprechende ethische Entscheidungen treffen

Classic Skills

Problemlösungsfähigkeit Konkrete Aufgabenstellungen, für die es keinen vorgefertigten Lösungsansatz gibt, durch einen strukturierten Ansatz und Urteilskraft lösen
Kreativität Originelle Verbesserungsideen (zum Beispiel für bestehende Geschäftsprozesse) oder Ideen für Innovationen (zum Beispiel für neue Produkte) entwickeln
Unternehmerisches Handeln und Eigeninitiative Eigenständig und aus eigenem Antrieb im Sinne eines Projekts oder einer Organisation arbeiten
Adaptionsfähigkeit Sich auf neue (technologische) Entwicklungen einlassen, sie vorteilhaft nutzen und auf verschiedene Situationen transferieren können
Durchhaltevermögen Übernommene Aufgaben, zum Beispiel herausfordernde Projekte, fokussiert, verantwortlich und auch gegen Widerstände zu Ende führen

Das Future-Skills-Framework wurde von Stifterverband und McKinsey erarbeitet. Es liefert den analytischen Rahmen für die Programminitiative Future Skills des Stifterverbandes. Methodisch basieren die Ergebnisse auf einer Kombination aus quantitativem und qualitativem Vorgehen: Zunächst wurde ein Workshop mit 40 Teilnehmern aus Start-ups, etablierten Unternehmen, Bildungseinrichtungen sowie aus Politik, Verwaltung und Verbänden veranstaltet. Anschließend erfolgte eine standardisierte Onlinebefragung von insgesamt 607 deutschen Unternehmen aus der gewerblichen Wirtschaft, Versicherungen und Banken. Flankierend wurden 20 leitfadengestützte Experteninterviews mit Personalverantwortlichen aus Unternehmen durchgeführt. Stets wurde berücksichtigt, dass Unternehmen jeder Größe, von Start-ups über den Mittelstand bis zu Großkonzernen, in der Stichprobe vertreten sind. Darüber hinaus basiert die Studie auf den bisherigen Erkenntnissen der Initiative Future Skills des Stifterverbandes sowie den Arbeiten von McKinsey zu diesem Thema.

Die Begriffe Kompetenz, Skill, Fähigkeit, Qualifikation und Eigenschaft sind nicht überschneidungsfrei und stehen häufig synonym. Alle – der eine mehr, der andere weniger – zielen auf die Verbindung von Wissen und Können in der Bewältigung von Handlungsanforderungen ab. Innerhalb der Bildungs- und Kompetenzforschung gibt es Diskussionen über die richtige Abgrenzung der Begriffe. In diesem Bericht verwenden wir im Folgenden den Begriff Fähigkeiten, jedoch in einem sehr weit gefassten Verständnis, das alle in Tabelle 1 aufgelisteten Fähigkeiten, Kompetenzen, Qualifikationen und Eigenschaften umfasst.

Der Qualifizierungsbedarf bis 2023

Unternehmen stehen angesichts der fortschreitenden Digitalisierung und der Entwicklung neuer Arbeitsformen vor einer doppelten Herausforderung: Sie müssen einerseits den Engpass an Experten mit Technological Skills bewältigen, die bereits heute eine knappe Ressource sind und bei deren Rekrutierung sich insbesondere klassische Industrie- oder Dienstleistungsunternehmen nach wie vor schwertun. Darüber hinaus müssen auch dem Großteil der übrigen Belegschaft neue digitale und nichtdigitale Schlüsselqualifikationen vermittelt werden. Ein besseres Verständnis, welche Fähigkeiten in welchem Ausmaß benötigt werden, ist daher für Unternehmen, aber auch für Politik und Bildungsinstitutionen von zentraler Bedeutung. Hierzu gehört auch, quantitative Aussagen über die zukünftigen Bedarfe zu treffen, da diese als Planungs- und Entscheidungshilfen unverzichtbar sind.

Im Folgenden wird der zukünftige Bedarf an technischen Spezialisten eingeschätzt und anschließend der Weiterbildungsbedarf auf Ebene der digitalen und nichtdigitalen Schlüsselqualifikationen genauer quantifiziert. In beiden Fällen erfolgt die Quantifizierung auf Basis der Onlinebefragung von 607 Unternehmen aus der gewerblichen Wirtschaft, Versicherungen und Banken.
 

Bis 2023 werden zusätzlich rund 700.000 Technologie-Spezialisten benötigt
Für den Bereich der Technological Skills lässt sich aus den Umfrageergebnissen bis 2023 ein zusätzlicher Bedarf von rund 700.000 Personen mit speziellen Technological Skills allein in der Wirtschaft ableiten. Dieser Bedarf berechnet sich als Differenz zwischen der Zahl von Beschäftigten, die heute schon über einzelne Technological Skills verfügen, und der Zahl derer, die der Umfrage zufolge in fünf Jahren darüber verfügen sollten.

Gliedert man die 693.000 Personen nach den zugrundeliegenden Future Skills, so erweist sich der Bedarf an Personen mit der Fähigkeit zu komplexer Datenanalyse mit 455.000 Personen als mit Abstand größter Posten, der sogar mehr als die Hälfte des Bedarfs bei den Technological Skills ausmacht. Dieser hohe Wert deutet darauf hin, dass Unternehmen zukünftig noch stärker als bisher große Datenmengen erheben und verarbeiten werden und dass künstliche Intelligenz, die auf komplexer Datenanalyse basiert, einen immer größeren Stellenwert einnehmen wird.

Rund 700.000 Personen mit Technological Skills gesucht

Der Bereich komplexe Datenanalyse hat darüber hinaus auch die größte Bedeutung für Berufsprofile außerhalb von IT-Abteilungen und beeinflusst nahezu alle Funktionsbereiche in Unternehmen, angefangen bei Marketing und Vertrieb über Forschung und Entwicklung bis hin zu Personal und Organisation. Aber nicht nur in verschiedenen Funktionsbereichen werden zukünftig mehr Fachexperten mit Fähigkeiten in komplexer Datenanalyse benötigt. Aufgrund der mit der Digitalisierung verbundenen allgemeinen Ausweitung der Möglichkeiten zur Datenerhebung entstehen neben datenintensiven Branchen wie zum Beispiel der Versicherungswirtschaft zunehmend neue Geschäftsmodelle, die auf der Analyse und Interpretation großer Datenmengen basieren. Expertise in komplexer Datenanalyse wird daher branchen- und funktionsbereichsübergreifend zu einer zentralen Schnittstellenfähigkeit in Unternehmen.

Der Bedarf bei Smart-Hardware-/Robotikentwicklung wird mit 27.000 Personen deutlich geringer eingeschätzt. Eine mögliche Erklärung hierfür könnte darin liegen, dass diese Fähigkeit vergleichsweise nahe an bereits in der Vergangenheit wichtigen Skills aus dem Ingenieurwesen liegt und hier bereits ein größerer Pool an entsprechend ausgebildeten Mitarbeitern existiert. Aufgrund der anhaltenden und zentralen Bedeutung von Software für die Geschäftsmodelle von Unternehmen können die vorliegenden Ergebnisse auch als Beleg für eine mögliche Fokussierung auf den Bereich Software beziehungsweise als Beleg für eine Unterschätzung der Bedeutung von Hardware und Robotik interpretiert werden.

Für den Bereich der Blockchain-Technologie konnte der konkrete Bedarf von Unternehmen vielfach nicht beziffert werden, sodass er nicht in die Berechnung eingeflossen ist. Dass sich die Nachfrage bei dieser Technologie besonders dynamisch entwickelt, zeigt sich aber beispielsweise in Analysen des Onlinejobportals Indeed, einem der größten Jobportale in Deutschland und weltweit. So wurde allein im Jahr 2017 ein Anstieg der veröffentlichten Stellen mit Blockchain-Bezug um 625 Prozent verzeichnet, Suchanfragen unter Verwendung des Begriffs Blockchain legten im gleichen Jahr sogar um 661 Prozent zu. Auch wenn dieser sprunghafte Anstieg bislang noch auf geringen absoluten Zahlen beruht, zeigt dieses Beispiel, wie schnell sich neue Technologien auf das Angebot beziehungsweise die Nachfrage nach bestimmten Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt
auswirken können.

693.000 Technologiespezialisten gesucht

 
Ausgehend von dem Bedarf in Höhe von 700.000 Personen müssen in den kommenden fünf Jahren also jährlich rund 140.000 Personen fortgeschrittene Technological Skills erwerben – allein für den hier betrachteten Bereich der Wirtschaft, der rund 60 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland umfasst. Überträgt man die Ergebnisse auch auf den Bereich der öffentlichen Arbeitgeber, steigt der Bedarf an Personen mit Technological Skills auf etwa 1,1 Millionen Personen – ein immenser Qualifikationsbedarf.

Nach Aussagen der Unternehmen kann dieser Bedarf auf unterschiedlichen Wegen gedeckt werden: Erstens erfolgt die gezielte Rekrutierung von Studienabsolventen aus entsprechenden Studiengängen. Zweitens wird die bestehende Belegschaft durch entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen beim Fähigkeitenaufbau unterstützt, zum Beispiel durch Weiterbildungen von Maschinenbauingenieuren in Smart Hardware und Robotik. Technological Skills werden drittens auch verstärkt in der dualen Ausbildung gelehrt werden, beispielsweise Webentwicklung oder UX-Design. Viertens sind deutsche Unternehmen vermehrt auf dem globalen Arbeitsmarkt aktiv und werben weltweit um Technologie-Spezialisten. Einige Unternehmen geben auch an, dass sie Technologie-Aktivitäten gezielt an Standorten in den Ländern ansiedeln, die eine Verfügbarkeit von Technologie-Spezialisten gewährleisten können.
 

Schlüsselqualifikationen: Jeder Vierte hat Weiterbildungsbedarf
Von der Vertriebsleiterin bis zum Sachbearbeiter – der routinierte Umgang mit elektronischen Daten, Grundkenntnisse in Fragen des Datenschutzes, die kollaborative Zusammenarbeit mit anderen, ein beständiges Lernen und weitgehend selbstständiges Arbeiten werden allesamt zu Schlüsselqualifikationen in der Arbeitswelt 4.0. Dieser Befund wird auch vonseiten der befragten Personalverantwortlichen bestätigt, die übereinstimmend davon ausgehen, dass in den digitalen und nichtdigitalen Schlüsselqualifikationen der größte Weiterbildungsbedarf in den kommenden Jahren liegen wird.

Kollaboratives Arbeiten erwünscht

Die wichtigste Kompetenz, welche die meisten Mitarbeiter den Umfrageergebnissen zufolge in Zukunft benötigen, ist die Fähigkeit zur Kollaboration, die zunehmend durch digitale Technologien unterstützt und geprägt sein wird. Neun von zehn Mitarbeitern sollten sie beherrschen können. Jeweils rund drei Viertel der Mitarbeiter benötigen digitale Grundkenntnisse und sollten Durchhaltevermögen und Eigeninitiative beweisen. Der Bedarf an Personen, die agil arbeiten können, ist am geringsten, aber immer noch zwei Drittel der Beschäftigten sollten diese Fähigkeit beherrschen.

Der Vergleich zwischen den Personen, die heute bereits über die einzelnen Fähigkeiten verfügen, und denjenigen, die in fünf Jahren aus Sicht von Unternehmen darüber verfügen müssten, zeigt einen hohen Weiterbildungsbedarf. Der höchste Bedarf besteht bei der Fähigkeit Digital Learning: Damit in fünf Jahren rund zwei Drittel der Beschäftigten die Fähigkeit zum digitalen Lernen besitzen, müssen bis dahin 3,8 Millionen Menschen weitergebildet werden. Bei rund 2,8 Millionen Personen sollten in diesem Zeitraum die digitalen Grundkenntnisse (Digital Literacy) vertieft werden, ebenso hoch ist der Weiterbildungsbedarf bei Kollaboration und digitaler Interaktion. Der geringste Bedarf besteht beim unternehmerischen Handeln, das bei rund 2,4 Millionen Personen trainiert werden sollte.

Angesichts der Radikalität und des Tempos, mit denen Automatisierung und Digitalisierung die Arbeitswelt verändern, erscheint dieser Bedarf zwar hoch, aber dennoch nicht unrealistisch. Die Bedeutung der Weiterbildung hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen und der Kreis der Weiterbildungsteilnehmer hat sich ständig vergrößert. 2016 nahm etwa jeder zweite der 18- bis 64-Jährigen an Weiterbildungen teil, sodass die Deckung des Bedarfs zwar ambitioniert, aber nicht unmöglich erscheint.

Die Qualifizierungslücke im Bereich der überfachlichen Fähigkeiten lässt sich nur schließen, indem Menschen im Berufsleben konsequent und kontinuierlich weitergebildet werden. Hierfür werden punktuelle Schulungen allein nicht ausreichend sein, vielmehr gilt es im Sinne eines lebenslangen Lernens, eine systematische und kontinuierliche betriebliche Weiterbildung zu entwickeln.

 

Zwischenfazit und Empfehlungen

Ein Bedarf von rund 700.000 Personen mit Technological Skills und ein Weiterbildungsbedarf von jeweils mehr als zwei Millionen Personen bei überfachlichen Classical Skills – diese Zahlen verdeutlichen die Größe der Herausforderung in den kommenden Jahren, vor der Deutschland im Bereich der Bildung steht. Dabei ist die hier vorgelegte Ermittlung des Bedarfs als Annäherung und Versuch einer näherungsweisen Quantifizierung zu verstehen. Wie auch immer die konkreten Bedarfe in der Zukunft ausfallen werden, schon jetzt besteht die Notwendigkeit zum Handeln: Es gilt einerseits, die bestehenden Instrumente der Bundesagentur für Arbeit zu ergänzen, die sich immer kurzfristiger wandelnden Bedarfe des Arbeitsmarktes kontinuierlich zu analysieren und diese Entwicklungen auch öffentlichkeitswirksam zu kommunizieren. Auf Grundlage dieses kontinuierlichen Monitorings könnten Unternehmen und private Weiterbildungsanbieter zudem gezielt neue Angebote entwickeln sowie bestehende Inhalte und Formate anpassen. Entscheidend ist, dass sich auch das Bildungs-, Hochschul- und Berufsbildungssystem stärker an den zukünftig benötigten Fähigkeiten orientiert und entsprechende Bildungsangebote (weiter-)entwickelt.

 

Methodik der Umfrage und Hochrechnung des Future-Skills-Bedarfs

607 Unternehmen, darunter Großunternehmen, Start-ups sowie kleine und mittlere Unternehmen, wurden im Juni 2018 online dazu befragt, inwieweit ihre Mitarbeiter über einzelne der oben beschriebenen Future Skills verfügen beziehungsweise verfügen müssten. Die Schätzungen der Unternehmen bilden die Grundlage für die Hochrechnung.

Der zusätzliche Bedarf an Technological Skills ergibt sich als Differenz zwischen den Erwerbstätigen der gewerblichen Wirtschaft, Versicherungen und Banken mit hohem Bildungsstand (ISCED 5 und 6), die heute über die einzelnen Skills verfügen, und denjenigen, die in fünf Jahren aus Sicht von Unternehmen darüber verfügen müssten. Beispielsweise ergibt sich für die komplexe Datenanalyse, dass in fünf Jahren 455.000 Spezialisten mehr benötigt werden, als heute in diesem Bereich arbeiten. Die gerundete Zahl 700.000 berechnet sich dabei als prozentuale Differenz (Anteil Personen an allen Mitarbeitern, die Skills in fünf Jahren benötigen werden, abzüglich des Anteils, der ihn heute bereits besitzt) multipliziert mit der Gesamtzahl Erwerbstätiger der gewerblichen Wirtschaft, Versicherungen und Banken mit hohem Bildungsstand.

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