Hochschul-Bildungs-Report 2020
Jahresbericht 2019
In vielen Bereichen gibt es starke Entwicklungen hin zur Plattformökonomie und auch das Weiterbildungssystem wird durch diese Dynamik beeinflusst. Während große berufliche Netzwerke wie LinkedIn ihr Onlineweiterbildungsangebot ausbauen, etablieren einige Länder eigene nationale Bildungsplattformen. Was spricht für eine deutsche Plattform mit internationaler Strahlkraft? Warum leistet das bestehende System diese Funktion nur in begrenztem Umfang? Und schließlich die große Preisfrage: Wie müssten solche Plattformen gestaltet sein, um Anbieter- und Nachfragebedürfnissen gleichermaßen gerecht zu werden?
Das digitale Lernangebot wird minütlich vielfältiger und größer und entwickelt sich zunehmend als Motor des lebenslangen Lernens. Das bisherige traditionelle und episodenhafte Bildungsverständnis, wonach die Ausbildung für die spätere Erwerbstätigkeit im ersten Lebensabschnitt stattfindet, wird den Umwälzungen der Arbeitswelt immer weniger gerecht. Neudeutsche Begriffe wie re-skilling und up-skilling sind einerseits Kennzeichen für die gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die digitale Transformation zu meistern. Sie setzen gleichzeitig aber den Rahmen für die Renaissance eines alten Slogans: Das vielbeschworene lebenslange Lernen entwickelt sich zum Mantra einer sich wandelnden Industriegesellschaft, gekennzeichnet durch kontinuierliche Weiterbildungen für vielfältige Bildungs- und Berufsbiografien.
Diesen Trend unterstreicht die jüngst veröffentlichte AHEAD-Studie des Hochschulforums Digitalisierung. In dieser wird die wachsende Bedeutung eines flexibleren Bildungssystems bis 2030 in Form von unterschiedlichen Szenarien herausgearbeitet. Besonders diejenigen Szenarien, die Hochschulbildung "als Fundament zur Weiterbildung" oder als "Bausatz" verstehen, werden als "besonders zukunftsträchtig" erachtet. Diese Szenarien verstehen das Studium nicht mehr als kompakte Einheit, sondern bestehend aus individuellen und flexiblen Bausteinen, die vielfältige Lernpfade im Rahmen des lebenslangen Lernens ermöglichen. Digitale Bildungsplattformen bilden diese neue Realität der vielfältigen Bildungsbiografien am ehesten ab und ziehen eine wachsende Zahl von Nutzenden an, die sich mit den ortsunabhängigen, flexiblen und innovativen Lernangeboten auf den Plattformen weiterbilden möchten.
Auch Anbieter von Lerninhalten wie Hochschulen und die Politik entwickeln ein reges Interesse an Bildungsplattformen und sehen konkrete Mehrwerte. Die Möglichkeiten der Skalierung – sprich das kostengünstige Erreichen vieler Lernender – von Angeboten durch digitale Vermittlung erscheint hier insbesondere für Hochschulen reizvoll. Darüber hinaus werden Varianten von staatlich geförderten digitalen Plattformen für lebenslanges Lernen in Wissenschaft und Politik vielfach diskutiert. Wie aber sollten solche digitalen Bildungsplattformen konzipiert sein, um den Lebensrealitäten und Erwartungen aller Akteure gerecht zu werden?
Im Folgenden wird ein Blick in die Zukunft gewagt: Welche Rolle können digitale Bildungsplattformen im Kontext des Bedarfs an neuen Formaten für lebenslanges Lernen in Deutschland spielen? Welche Inhalte und Formate sollten Bildungsplattformen für lebenslanges Lernen aufweisen? Welche Skalierungsmechanismen unterstützen Lernprozesse, welche könnten dem Lernerfolg auch schaden? Entsteht vielleicht ein Mehrwert bereits dadurch, dass bestehende Angebote kuratiert und zentralisiert zugänglich gemacht werden?
Es wird schnell klar, dass das Prinzip der Bildungsplattformen in einen breiteren Kontext gestellt werden muss. Die Entwicklung der öffentlichen Diskussion von einer oberflächlichen Pro-und-kontra-Abwägung für einzelne neue Ideen hin zugunsten einer systemischen Betrachtung von Plattformökosystemen wird begrüßt und hiermit weiter verfolgt. So hat das Hochschulforum Digitalisierung mit seiner in Auftrag gegebenen "Machbarkeitsstudie für eine nationale Plattform für die Hochschullehre" diese systemische Perspektive eingenommen.
Ein reines Mehr an Plattformen wird den Bedarf zum Erwerb von Future Skills nicht schließen und die Nachfrage nach Onlinebildungsangeboten nicht signifikant erhöhen. Es kommt darauf an, zu klären, welche Themen fokussiert werden, wie Plattformen interagieren und inwiefern neue Bildungsinhalte
mit bestehenden Weiterbildungsangeboten smart zusammenwirken können. Ausgehend von diesem Grundsatz werden nachfolgend Anforderungs- und Erfolgsfaktoren diskutiert, die neue Mehrwerte und Synergien bei der (Weiter-) Entwicklung von Bildungsplattformen erzeugen können.
Bildungsangebote werden in den vergangenen Jahren mit zunehmender Geschwindigkeit in digitalen Lehr- und Lernszenarien zur Verfügung gestellt. Egal ob digitale Lernmanagement-Systeme (LMS) an Hochschulen, Blended-Learning-Formate in der Weiterbildung, webbasierte Social-Learning-Events oder vollvirtuelle Onlinekurse: Immer mehr Bildungsangebote sind digital verfügbar. Standardisierte und teils auch personalisierte Angebote können bei begrenztem Ressourceneinsatz große Lernendenzahlen generieren, sodass hochschulische oder hochschulnahe deutsche Plattformen wie das vom Hasso-Plattner-Institut für Digital Engineering in Potsdam entwickelte Angebot openHPI oder das im direkten Umfeld der TH Lübeck entwickelte Angebot oncampus vielfältige Möglichkeiten der Skalierung von Lehrmaterialien haben, gerade auch im Hinblick auf das lebenslange Lernen.
Andere deutsche Hochschulen bedienen mit neuen Plattformlösungen das politische Interesse, den Zugang zu Bildung weiter zu öffnen und neue Zielgruppen zu erreichen. So ermöglicht es der Verbund der Hamburg Open Online University Lernenden auch außerhalb der Hochschule, Kursangebote der staatlichen Hochschulen in Hamburg kennenzulernen und zu nutzen. Die Hamburg Open Online University (HOOU) ist ein innovativer Verbund aller staatlichen Hamburger Universitäten und bietet eine hochschulübergreifende Plattform für ortsunabhängige Lehr- und Lernangebote. Ziel ist es, Inhalt und Didaktik der wissenschaftlichen Bildung im digitalen Zeitalter zu fördern.
Auf politischer Akteursebene wird mit der Förderung von Plattformen das strategische Interesse verbunden, deutschen Bildungsanbietern wie Hochschulen genau diese Möglichkeit einer Skalierung zu bieten, die ohne öffentliche Unterstützung nicht möglich wäre. Die Entwicklung und das Betreiben von Bildungsplattformen erfordern einen Ressourceneinsatz, der weit über die Gestaltungsmöglichkeiten einzelner Bildungsorganisationen wie Hochschulen hinausgeht. Die Entwicklung der Plattformen für onlinebasiertes Lernen im internationalen Vergleich bestätigt dies: So entstand die Plattform edX mit ihren heute mehr als 18 Millionen Lernenden weltweit durch eine Kooperation zwischen der Harvard University und dem Massachusetts Institute of Technology (MIT), die schon einzeln betrachtet als ressourcenstark gelten können. Neben der direkten finanziellen Unterstützung von Hochschulen für die Produktion und Bereitstellung von Kursen auf besagten nationalen und internationalen Plattformen wird auf politischer Ebene zunehmend die Notwendigkeit gesehen, auch die direkte Entwicklung hochschulübergreifender nationaler Plattformmodelle zu fördern. Damit wird das Interesse verbunden, nationale Kontextbedingungen für die Bereitstellung digitaler Bildungsangebote besser zu berücksichtigen, seien es Datenschutzbedingungen oder spezifische regionale Weiterbildungsbedarfe.
Mit Blick ins europäische Ausland zeigen diese Perspektivdiskussionen bereits sehr konkrete Ergebnisse und Umsetzungsansätze. Frankreich fördert seit 2013 die Onlinekursplattform FUN (France Université Numérique) mit öffentlichen Mitteln. Damit sollen einerseits Bildungsangebote der beteiligten Hochschulen für ein größeres, frankofones Publikum geöffnet und andererseits gezielt innovative und digitale Lehr- und Lernmethoden der französischen Hochschulen gefördert werden. Hochschulen stellen auf dieser größtenteils kostenlosen Plattform für lebenslang Lernende in Frankreich und im Ausland onlinegestützte Lernangebote zur Verfügung. Der Großteil der Kurse wird mit einer Teilnahmebescheinigung (attestation de suivi avec succès) abgeschlossen und ist grundsätzlich kostenlos. Kurse, die explizit ein verifizierbares und von französischen Hochschulen anerkanntes Zertifikat ausstellen, sind jedoch kostenpflichtig. In Großbritannien kuratiert die hochschulübergreifende Plattform FutureLearn seit 2013 ebenfalls Onlinekurse. Ähnlich des Bezahlmodells bei FUN in Frankreich ist die Teilnahme an Kursen bislang kostenlos gewesen, allerdings ist es bei FutureLearn unverkennbar, dass es einen Kommerzialisierungstrend hin zu Subskriptionsmodellen gibt, die auch für private Investoren zunehmend lukrativ erscheinen.
Auch in Deutschland gibt es eine große Diskussion um eine zentrale, staatlich initiierte Plattform für den Hochschul- und den Weiterbildungsbereich. Eine im Auftrag des Hochschulforums Digitalisierung durchgeführte Machbarkeitsstudie untersuchte 2018, ob und wenn ja, wie und mit welchem Aufwand eine hochschulübergreifende Plattform für die digital gestützte Lehre in Deutschland sinnvoll realisierbar wäre. Grundlage war die Feststellung, dass deutsche Hochschulen auf internationalen onlinekursbasierten Bildungsplattformen kaum mit eigenen Angeboten präsent sind. Vor diesem Hintergrund beleuchtet die Studie die Möglichkeiten für den Aufbau einer nationalen Hochschulplattform mit europäischer Perspektive und skizziert unterschiedliche Gestaltungsvarianten. Dabei wurden zwei grundsätzliche Szenarien entworfen.
Das erste, eher angebotsorientierte Szenario der Studie stellt die Vernetzung bestehender Onlinestudienangebote ähnlich einer Suchmaschine in den Mittelpunkt und soll die Suche nach passenden Angeboten vereinfachen. Solch ein Vernetzungsportal ermöglicht es den Nutzenden, einfacher durch das zuweilen unübersichtliche Angebot verschiedenster Plattformen zu navigieren, diese zu vergleichen und das optimale Angebot herauszufiltern. Während somit lediglich die Suche nach passenden Angeboten vereinfacht wird, bleiben die eigentliche Struktur und der Aufbau der Kurse unangetastet. Das zweite Szenario stellt daher die Benutzerfreundlichkeit (User Experience) in den Vordergrund: Es soll ein von Grund auf neues, nationales Weiterbildungsportal "aus einem Guss" geschaffen werden, das eigene interoperable und qualitativ hochwertige Onlineangebote bereitstellt. Da das zweite Szenario mit erheblichem Aufwand verbunden ist, schlägt die Studie einen Mittelweg aus beiden Varianten vor: So soll ein bundesweites Portal die Anbindung bestehender Plattformen gewährleisten und gleichzeitig schrittweise eigene Bildungsangebote aufbauen.
Unter dem Akronym MILLA (Modulares Interaktives Lebensbegleitendes Lernen für Alle) wurde von der CDU-Bundestagsfraktion ein Konzept in den Diskurs eingebracht, das sämtliche neuen und bestehenden Weiterbildungsangebote verknüpfen will. Die Idee: MILLA soll sich durch künstliche Intelligenz individuell an die persönlichen Interessen sowie das vorhandene Fähigkeitsprofil der jeweiligen Nutzenden anpassen. Die Lernenden erhalten Kompetenzpunkte für die Teilnahme an Angeboten. Als Anreiz sollen Nutzende für absolvierte Kompetenzpunkte eine Prämie in Form von Sachleistungen erhalten. Anbieter von Weiterbildungsinhalten würden abhängig von der Qualität ihrer Angebote, der Anzahl der Absolventen, des Lernerfolgs und der Nutzendenbewertungen bezahlt werden.
Auch auf der europäischen Ebene wird der Aktionsplan der EU-Kommission für digitale Bildung, an dessen Ende die Einrichtung einer europaweiten Plattform für die digitale Hochschulbildung stehen soll, weiter vorangetrieben. In der momentanen Entwicklungs- und Testphase unterschiedlichster Projekte werden in diesem Rahmen insbesondere die Interoperabilität und der datenschutzkonforme Austausch von Studierendendaten zwischen europäischen Hochschulen erprobt. Ob sich solch eine europäische Bildungsplattform darüber hinaus als Anlaufstelle für Onlinelernangebote, gemischte Mobilität, virtuelle Campusse und den Austausch bewährter Verfahren zwischen Hochschuleinrichtungen auf allen Ebenen (Studierende, Forscher, Lehrkräfte) bewähren wird, bleibt abzuwarten.
Diese unterschiedlichen Impulse für öffentlich gestützte Plattformen für Studierende und lebenslang Lernende haben breite Diskussionen um Vor- und Nachteile sowie mögliche Szenarien von Plattformlösungen weiter verstärkt. Vor dem Hintergrund der sich rasant entwickelnden Anforderungen des Arbeitsmarktes ist diese Debatte von neuer Qualität und wird trotz einer Reihe von offenen Kritikpunkten von vielen Beobachtenden begrüßt.
Für eine weitere Vertiefung des Diskurses werden nachfolgend Szenarien für die Zukunft des Ökosystems an Plattformen im Kontext des lebenslangen Lernens skizziert. Damit soll veranschaulicht werden, dass Entscheidungen über die Ausgestaltung einzelner neuer wie bestehender Plattformen immer auch vor dem Hintergrund der Wechselwirkung mit anderen Bildungsplattformen zu bewerten sind.
Aus Sicht der lebenslang Lernenden sowie der Unternehmen, die sich für digitale Qualifizierungsmöglichkeiten ihrer Mitarbeitenden interessieren, zählen weniger das Angebotsportfolio oder die Nutzerfreundlichkeit einzelner Plattformen, sondern vielmehr wie die Vielfalt der Angebotslandschaft möglichst synergiereich zusammenwirken kann: Wo finde ich für mich passende Weiterbildungskurse – auf einzelnen Anbieterwebsites, per Internetsuche oder in Kurs-Datenbanken? Wie komme ich bei erfolgreichem Abschluss eines Kursangebots zum besten daran anschließenden Kurs? Wie mache ich die erworbenen Kompetenzen am besten digital sichtbar, vor allem für mögliche neue Arbeitgeber? Für diese Fragen müssen nicht nur einzelne Plattformanbieter in den Blick genommen werden, sondern die gesamte Landschaft an Angeboten zum Erwerb von zukunftsgerichteten Kompetenzen im digitalen Zeitalter, genauer: Anbieter von Plattformen und Anbieter von einzelnen Inhalten wie Hochschulen. Hierfür wird nachfolgend ein metaphorischer Ausblick für verschiedene Szenarien gewagt.
Szenario 1: Die Inseln für sich
Im ersten Szenario werden mit öffentlicher Unterstützung zahlreiche neue Plattformen für lebenslang Lernende etabliert, jedoch existieren sie neben den geschlossenen Systemen privater Anbieter und hochschulinternen Lernmanagement-Systemen als Stand-alone-Lösungen. Sie bieten qualitätsgesicherte Onlinekurse und Lerninhalte mit einer für die Lernenden besonders eingängigen und benutzerfreundlichen Oberfläche. Die Geschlossenheit der Lösung im Sinne von großen einzelnen Insellösungen ohne niederschwellige gegenseitige Verbindung erlaubt keine wechselseitige Integrationsmöglichkeiten der Kurse und Angebote. Auch eine einmalige, plattformübergreifende Registrierung (Single Sign-on), mit der dann Inhalte unterschiedlichster Anbieter abgerufen werden können, gibt es nicht. Zwar finden sich Lernende, quasi Besuchende der Inseln, aufgrund der Homogenität der Angebote eindeutig zurecht, jedoch fallen der Besuch anderer Angebote und die Dokumentation der Lernergebnisse außerhalb der einzelnen Bildungsplattformen sehr schwer. Die gegenseitige Integration der Plattformen für digitalgestütztes Lernen ist nur erschwert möglich und die Eintrittsbarrieren für Anbieter von Kursen wie beispielsweise Hochschulen sind hoch. Um im Bild der Inseln zu sprechen, sind die Reisewege zwischen den einzelnen Inseln beschwerlich und Handel nur mit hohen Transaktionskosten möglich.
Szenario 2: Die Inselgruppe
Die mit öffentlicher Unterstützung geförderten neuen Plattformen orientieren sich an den bisher bestehenden Plattformangeboten und suchen Kooperationen. Ein unmoderierter Austausch der Plattformanbieter findet statt, vereinzelt gibt es wechselseitige Verweise und Integrationen. Einige der Plattformen sind mit dem Anspruch der Offenheit (Open Source) gedacht und entwickelt, sodass nicht nur Integration erleichtert wird, sondern auch gemeinsame technische Weiterentwicklungen gegenseitig geteilt und übernommen werden können. Wie das konkret aussehen kann, zeigt das Beispiel der Open-Source-Software H5P, mit der Lehrende online abwechslungsreiche und schüleraktivierende Lehr- und Lerninhalte wie klickbare Videos erstellen können. Aufgrund des Anspruchs gegenseitiger Offenheit lässt sich das Plug-in leicht in andere Open-Source-Bildungsplattformen wie Moodle als am häufigsten genutzte Plattform an deutschen Hochschulen niederschwellig integrieren. Das Beispiel zeigt, dass ein Anspruch der Offenheit lose gekoppelte Kooperation fördert, diese Kooperation jedoch vom Goodwill und den Ressourcen der Plattformanbieter abhängen. Es findet kein moderierter Austausch statt und ein Abgleich von Qualitätsstandards wird nicht gewährleistet. Aus Sicht der Lernenden sind Verweise zwischen Plattformangeboten vereinzelt – beispielsweise im Sinne von Single-Sign-on-Lösungen – vorhanden, jedoch nicht systematisch implementiert. Vereinzelt finden sich gemeinsame Standards, jedoch unterscheidet sich die User Experience zwischen den Plattformen teils in erheblichem Maße und ein Überblick über alle im gesamten Ökosystem der Plattformen bestehenden Lernangebote ist nicht direkt möglich. Metaphorisch übertragen sind Zusammenhänge zwischen den Inseln vereinzelt vorhanden, die Wege zwischen den Inseln sind kürzer und Handel wird erleichtert. Kulturen und Praktiken auf den Inseln können sich jedoch enorm unterscheiden.
Szenario 3: Die Inselföderation
Mit öffentlicher Förderung werden neue zentrale Plattformen für den Erwerb von Future Skills initiiert und etabliert, die in gegenseitiger Beziehung zu vielen existierenden Plattformlösungen stehen. Die Plattformen integrieren eigene neue Inhalte, kuratieren jedoch auch existierende Lernangebote intelligent. Der Austausch zwischen den Anbietern von Inhalten auf den Plattformen sowie Lernenden wird von staatlicher Seite im Sinne eines ganzheitlich lebendigen Ökosystems für lebenslanges Lernen im digitalen Zeitalter maßgeblich unterstützt. Der Anspruch der Offenheit (Open Source und Open Educational Resources) erlaubt die gegenseitige Integration von technischen Entwicklungen und Inhalten, die auf den großen öffentlich geförderten Bildungsplattformen qualitätsgesichert
zur Verfügung stehen. Lernende können niederschwellig zwischen den Angeboten der verschiedenen Plattformen wechseln. Darüber hinaus sind auf einer oder mehrerer Datenbanken alle Kurs- und Lernangebote gelistet, sodass Lernende leicht Orientierung für mittel- und langfristige individuelle Weiterbildungsziele finden. Dies kann unter Umständen auch durch eine Metalernplattform nach dem Vorbild von Kiron Open Higher Education, einem Social-Start-up, das Geflüchteten den Zugang zu akademischer Bildung ermöglicht, geleistet werden. Auf ihrer Metaplattform, dem Kiron Campus, werden Kursangebote verschiedenster Bildungsplattformen kuratiert angeboten. Nach diesem Vorbild könnte eine große öffentliche Lernplattform weitere Angebote anderer Plattformen im Sinne einer erweiterten Datenbank listen. So können auch Mittler wie Unternehmen ihre Belegschaft leichter auf eine Auswahl geeigneter Weiterbildungsangebote hinweisen. Um das Bild der Inseln aufzugreifen, sorgt eine gemeinsame politische Infrastruktur – nach dem Vorbild einer Föderation als politische Vereinigung der Inseln – dafür, dass gegenseitiger Austausch zwischen den Inseln gefördert wird, Wege für Reise und Handel kurz sind und gemeinsame Kulturen und Praktiken wie einheitliche Währungen sowie Erwartungssicherheit bei den Besuchenden und Bewohnenden sichergestellt sind.
Entscheidend für den Erfolg neuer Plattformen wird die Frage sein, inwiefern Synergieeffekte durch gegenseitige Verknüpfungen und Integrationen der Plattformen erzielt werden. Gleichzeitig sind Plattformen weniger als Stand-alone-Lösungen aufzubauen, sondern vielmehr mit einem lebendigen Netzwerk an daran Beteiligten auszustatten. Damit die Summe von existierenden Plattformlösungen mehr ist als die einfache Addition einzelner Plattformen, sind Metalösungen wie Suchmaschinen für das Kuratieren der über viele Plattformen gestreuten Angebote zu entwickeln. Diese Szenarien erleichtern es auch den Anbietern von Inhalten auf Plattformen sich zu positionieren. Sie sind dabei mit besonderer Aufmerksamkeit von öffentlicher Seite zu fördern, damit der gesamtgesellschaftliche Auftrag der Förderung der Vermittlung von Future Skills gelingen wird. Dafür stehen folgende Erfolgsfaktoren im Mittelpunkt, die insbesondere die Politik als mögliche Förderin von Plattformentwicklungen beachten sollte.
Der immer stärkeren Verbreitung von Insellösungen ist durch anschlussfähige Plattformen für digitale Hochschulbildung zu begegnen. Die Politik hat dafür Sorge zu tragen, dass durch solche Plattformen die einzelnen, fragmentierten Bildungsangebote leicht auffindbar und intelligent miteinander vernetzt sind. Entsprechende national diskutierte Initiativen sind mit entsprechenden europäischen Initiativen zu verzahnen.
Gute Plattformen brauchen gute Inhalte. Die Lernangebote, insbesondere von staatlich geförderten digitalen Bildungsplattformen, sollten sich vor dem Hintergrund des Weiterbildungsbedarfs auf für Future Skills relevanteFähigkeiten wie UX-Design, Data Literacy und KI-Know-how sowie Big Data Analytics fokussieren – Future Skills von besonderer Relevanz für die (inter-)nationale Wirtschaftskraft.
Hochschulen sind prädestiniert dafür, Inhalte, die für Future Skills spezifisch sind, für digitale Bildungsplattformen zur Verfügung zu stellen. Sie haben sich strategisch dafür zu entscheiden, welchen Beitrag sie im Zeitalter von Plattformen aktuell und zukünftig leisten können und diese Aufgabe im Sinne ihrer gesellschaftlichen Verantwortung mit Priorität wahrzunehmen.