Potenzial von ausländischen MINT-Studierenden

Immer mehr Ausländer studieren in Deutschland ein MINT-Fach – ein Gewinn für Industrie und Wissenschaft. Sie machen das heimische Studium internationaler und tragen dazu bei, den Frauenanteil zu erhöhen.

Eine der wichtigsten Säulen in der deutschen Wirtschaft ist der industrielle Sektor, der rund ein Drittel der Wertschöpfung in Deutschland ausmacht. Branchen wie die Kraftfahrzeugindustrie, die Metall verarbeitende Industrie und der Maschinenbau dominieren diesen Sektor. Diese Industriezweige sind besonders international aufgestellt und global tätig. Im Durchschnitt werden rund 46 Prozent der Umsätze im Ausland erzielt. Dabei waren im Jahr 2011 rund 37 Prozent aller Industrieunternehmen Exporteure – unter den mittelgroßen und großen Unternehmen sogar rund 90 Prozent (IfM Bonn, Statistisches Bundesamt).

Dreifache Herausforderung für Unternehmen

Industrieunternehmen stehen in Deutschland vor einer dreifachen Herausforderung hinsichtlich akademischer Fachkräfte: Es gibt erstens zu wenige in den Bereichen Informatik, Naturwissenschaften und Ingenieurwesen. Es sind zweitens zu wenige mit ausreichenden internationalen Kompetenzen und es gibt drittens zu wenige Frauen, um mit ihnen auch Führungspositionen zu besetzen. Ausländische MINT-Studierende können erheblich dazu beitragen, alle drei Problemstellungen langfristig zu lösen.

Herausforderung Quantität

Industrieunternehmen benötigen Informatiker, Naturwissenschaftler und Ingenieure in ausreichender Anzahl. Auf einen arbeitslosen Ingenieur kommen derzeit immer noch vier offene Stellen. Vor diesem Hintergrund sollte man sich klar machen, dass die deutsche MINT-Ausbildung für ausländische Studierende besonders attraktiv ist: Von allen ausländischen Studierenden belegen 45 Prozent MINT-Fächer, unter den deutschen Studierenden sind es nur 39 Prozent, die sich für ein MINT-Studium entscheiden.

Diese Entwicklung hat sich seit 2008 noch verstärkt: Während der Anteil deutscher MINT-Studierender an allen deutschen Studierenden um 3,3 Prozentpunkte gestiegen ist, konnten MINT-Studierende unter den Bildungsausländern ihren Anteil um 5,7 Prozentpunkte verbessern. Ausländische Absolventen deutscher Hochschulen bilden einen Pool an Arbeitskräften, der für Unternehmen besonders in Zeiten des Fachkräftemangels von herausragender Bedeutung ist.

Herausforderung Internationalität

Die Unternehmen benötigen aufgrund ihrer besonders tiefen wirtschaftlichen Verflechtung mit dem Ausland einen hohen Anteil an Mitarbeitern, die internationale Kompetenzen besitzen und bei Bedarf auch international mobil sind. Jedes zweite der für den Hochschul-Bildungs-Report befragten Unternehmen gibt an, dass Auslandserfahrung ein wichtiges Auswahlkriterium für Fachkräfte sei. Im Hightech-Sektor geben dies sogar 75 Prozent der Unternehmen an (Stifterverband/ McKinsey, Unternehmenssurvey). Angehende Ingenieure gehen jedoch nur selten ins Ausland: Während 2013 36 Prozent der Studierenden in Wirtschaftswissenschaften Auslandserfahrung haben, liegt der Wert für Ingenieurwissenschaften bei mageren 19 Prozent (DAAD/DZHW 2013). Der Anteil der internationalen Technikstudiengänge ist ebenfalls rückläufig: von 13 Prozent im Jahr 2007 auf nur noch 8 Prozent im Jahr 2013.

Herausforderung Diversität

Unternehmen der technischen Branchen stehen vor der Herausforderung, ihre Diversität durch eine höhere Frauenquote insbesondere in Führungspositionen zu steigern. Derzeit liegt die Frauenquote bei Führungskräften bei nur 20 Prozent (Studie: Frauen im Management), und gerade einmal etwas mehr als 20 Prozent der deutschen Studierenden in Ingenieurwissenschaften sind weiblich. Im Vergleich dazu ist der Frauenanteil unter den ausländischen Ingenieurstudierenden deutlich höher und wächst kontinuierlich: 27 Prozent der ausländischen Studierenden, die sich für ein ingenieurwissenschaftliches Studium entscheiden, sind Frauen, Tendenz steigend – im Vergleich zu knapp 21 Prozent Frauenanteil unter deutschen Studierenden. Der Anteil der Frauen in Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften bei den ausländischen Studierenden stieg von 2008 bis 2013 um 2 Prozentpunkte auf 39,3 Prozent. Unter den deutschen Studierenden stagniert hingegen seit Jahren der Anteil von Frauen in MIN-Fächern bei 33 Prozent.

Professorinnen dienen als Rollenmodelle für Studentinnen, insbesondere in Fächern, in denen sie bisher eine Minderheit sind. Die Anzahl an Professorinnen in den MINT-Fächern ist bislang aber zu gering. Dadurch fehlen Bezugspersonen und Vorbilder, die dazu beitragen können, beim Übergang von der Schule zur Hochschule Abiturientinnen für ein Studium zu gewinnen und später eventuelle Studienabbrüche von MINT-Studentinnen zu verhindern. Das Lehrpersonal in den MINT-Fächern ist überwiegend männlich – deutlich männlicher als im Vergleich zu anderen Fächergruppen. Nur 12,7 Prozent der MINT-Professoren an deutschen Hochschulen sind weiblich, in allen Fächergruppen sind dies 21,3 Prozent. Auch wenn der Anteil ausländischer Professoren an deutschen Hochschulen mit 6,4 Prozent gering ist, so sind Frauen hier stärker vertreten: 19,9 Prozent der ausländischen MINT-Professoren sind weiblich.

Empfehlung

Wirtschaft und Wissenschaft in Deutschland können von dem größeren Interesse ausländischer Frauen an technischen Studiengängen profitieren. Daher sollten Hochschulen …

  1. ausländische Frauen als wichtige Zielgruppe anerkennen und sie gezielt für ein Ingenieurstudium in Deutschland gewinnen.
  2. Professuren und Nachwuchsstellen mit ausländischen (Nachwuchs-) Wissenschaftlerinnen besetzen, auch um sie als weibliche Rollenvorbilder in der Professorenschaft zu gewinnen.

Der Hochschul-Bildungs-Report 2020 ist eine Initiative von