Geeignet fürs Lehramt?

Das Lehramt gilt bei Abiturienten in Deutschland als einer der angesehensten Berufe. Dennoch wollen die besten Schüler deutlich seltener Lehrer werden als Schüler mit mittelmäßigen Noten. Sie vermissen vor allem attraktive Aufstiegsmöglichkeiten. Doch Noten alleine sind nicht ausschlaggebend für einen guten Lehrer.

Leistungsstarke Abiturienten sind deutlich seltener am Lehrerberuf interessiert. Das ist das Ergebnis einer Umfrage unter 521 Abiturienten im Alter von 17 bis 22 Jahren, die im Dezember 2013 im Auftrag von McKinsey&Company und dem Stifterverband für den Hochschul-Bildungs-Report durchgeführt wurde. Während fast die Hälfte aller befragten Abiturienten mit einer Durchschnittsnote zwischen 2,1 und 4,0 (48,3 Prozent) am Lehrerberuf „eher“ bis „sehr“ interessiert sind, trifft dies nur für 38,1 Prozent der Abiturienten mit einem Notendurchschnitt zwischen 1,0 und 2,0 zu.

Nur wenige wollen Lehrer werden

In der Erhebung wurden insbesondere vier Themen abgefragt: (1) das Interesse am Lehrerberuf nach Abiturnote, (2) die Bewertung von Berufsbildern und favorisierte Berufswahloptionen, (3) Kriterien zur Berufswahl und die Bewertung der Eigenschaften des Lehrerberufs sowie (4) die eigenen Kompetenzen. Fazit: Der Lehrerberuf gehört bei Abiturienten neben Arzt, Polizist, Universitätsprofessor und Richter zu den Top 5 der angesehensten Berufe in Deutschland – dennoch erwarten de facto nur wenige, dass die besten Absolventen tatsächlich Lehrer werden (23 Prozent), und nur wenige der guten Abiturienten (17 Prozent) geben den Lehrerberuf als eine tatsächlich infrage kommende Option an.

Ein Hauptgrund für das geringe Interesse der Abiturbesten liegt in den fehlenden Karrierechancen: Vier von fünf Abiturienten geben an, dass gute Aufstiegschancen ein »eher« oder »sehr« wichtiges Kriterium für ihre Berufswahl sind. Doch nur etwas mehr als jeder vierte (28,1 Prozent) geht davon aus, dass dieses Kriterium auf den Lehrerberuf zutrifft. Bei keiner anderen der abgefragten Eigenschaften ist die Diskrepanz zwischen der Bedeutung für die eigene Berufswahl und ihrer Zuschreibung für den Lehrerberuf derart groß. Weitere Eigenschaften, die mit dem Lehrerberuf seltener in Verbindung gebracht werden, sind gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt (52 Prozent), Spaß an der Arbeit (59 Prozent), hohes Ansehen (61 Prozent) und attraktives Einkommen (64 Prozent).

Die richtigen Kompetenzen

Für das Lehramt müssen allerdings nicht nur Personen mit guten Noten gewonnen werden, sondern auch diejenigen, die für die Schule die richtigen Persönlichkeitsvoraussetzungen mitbringen. Im Abiturienten-Survey wurde deshalb auch die Wahrnehmung der eigenen Kompetenz abgefragt. Als besondere Stärken der am Lehrerberuf Interessierten traten dabei der Umgang mit Kindern und Jugendlichen (47 Prozent geben dies als Kompetenz an) und Empathie (43 Prozent) hervor – beides wichtige Voraussetzungen für das Lehramt.

Jeder dritte am Lehrerberuf interessierte Abiturient gab an, er könne gut erklären (31 Prozent), und knapp jeder vierte sagte von sich, seine Stärke sei es, andere zu motivieren und zu begeistern. Zwei wichtige Persönlichkeitsvoraussetzungen scheinen allerdings der Mehrzahl der am Lehrerberuf interessierten Abiturienten zu fehlen: Nur 16 Prozent schätzen Selbstvertrauen und nur 13 Prozent Durchsetzungsfähigkeit als persönliche Stärke ein.

Empfehlung

Um geeignete Studienbewerber für das Lehramtsstudium zu gewinnen, muss die Attraktivität des Berufsbildes weiter gesteigert werden. Es gilt, zukünftig die Vorzüge des Lehrerberufs stärker herauszustellen und die Zugangswege in den Lehrerberuf zu flexibilisieren. Dies kann beispielsweise gelingen, indem die Vorzüge des Lehrerberufs wie zum Beispiel die Sicherheit des Arbeitsplatzes, eine sehr gute Altersvorsorge, familienfreundliche Arbeitszeiten oder ein hohes gesellschaftliches Ansehen klarer herausgestellt werden.

Öffentlich verliehene Preise und Auszeichnungen wie der Deutsche Lehrerpreis sind eine weitere Möglichkeit, die Anerkennung des Berufes zu stärken. Darüber hinaus gilt es, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem die Länder beispielsweise neue Stellen(-kategorien) einführen, zum Beispiel Schul- oder Unterrichtsassistenten, um Lehrer für pädagogische Kernaufgaben zu entlasten. Die Länder sollten außerdem die anstehende Reform der Besoldungsregelungen für verbeamtete Lehrer nutzen, um transparente und planbare Aufstiegsmöglichkeiten und Karrierewege für Lehrer zu schaffen und auf eine leistungsorientierte Vergütung umzustellen.

Ein großes Potenzial an geeigneten Lehrkräften bieten auch Quer- und Seiteneinsteiger, die oftmals auf Erfahrungen außerhalb der Klassenzimmer und Schulhöfe zurückgreifen und andere Perspektiven einbringen können. Um solche Bewerbergruppen systematisch zu erschließen und das Lehramt für Interessenten mit ganz unterschiedlichen Bildungs- und Erfahrungshintergründen attraktiv zu machen, müssen transparente und auf Dauer verlässliche Bedingungen für den Einstieg geschaffen und eine Willkommenskultur auch für Quereinsteiger an deutschen Schulen etabliert werden. In jedem Fall sollten die Kandidaten eine qualifizierte Vorbereitung durchlaufen, bevor sie zum ersten Mal eigenverantwortlich Unterricht erteilen.

Der Hochschul-Bildungs-Report 2020 ist eine Initiative von